DRAUSSENSCHÖN
(Kurzprosa)
Wendel Schäfer
Mit Grafiken des Autors
(Titelgestaltung Andrea Schäfer-Eckert)
edition Krautgarten, St. Vith, Belgien 2013
ISBN 978-2-87316-045-6
111 Seiten, 12,00Euro

 

 
Wendel Schäfer-Draußenschön
 
gebraucht und neu bei Amazon.de
 
oder im Antiquariat bei AbeBooks.de

 

Meinungen

'Zu diesem Buch kann ich nur gratulieren. Das ist das Beste, was ich vom Autor seit langem gelesen habe. Die Kurzprosa ist einmalig und erhebt Alleinstellungsmerkmal. Man ist überrascht über die Fülle wahnwitziger Ideen und überbordender Phantasie. Und das in einer, knappen, präzisen und zupackenden Sprache. Wendel Schäfer ist ein Meister der Metamorphosen und der Darstellung extremer Charaktere, der in einer Tradition steht, die von Ovid bis Borges und Canetti reicht und in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur kaum Entsprechungen kennt. Die Kurzprosasammlung Draußenschön ist ein Denkmal für Besessene und Getriebene, die im Leben zwar zum Scheitern verurteilt sind, ohne die es in der Welt aber nichts Großes und Außergewöhnliches gäbe. Dies ließe sich in der Welt vielleicht noch verkraften, aber niemals in der Kunst. Eine unbedingt empfehlenswerte Lektüre´

(Prof. Dr. Klaus Wiegerling, Kaiserslautern)

 

`Unter dem Titel "Draussenschön" schildert Wendel Schäfer in seinen Kurzgeschichten das Schicksal der "Mickrig Geratenen". Es sind Verlierer, die in einer Scheinwelt verharren, bis sie auf oft schlimme Weise ihr Ende finden. Diese Kranken können nicht erkennen, dass jemand, der sich der Welt verschliesst, über kurz oder lang untergeht.
Brilliant erzählend, mal witzig, manchmal bitterböse, dennoch nie verletzend oder platt legt der Autor am Beispiel der zu kurz Gekommenen dar, wie fatal sich der viel gepriesene Individualismus auf sie auswirken kann.

(Gerd Küppers, Autor, Montabaur)

 

'Den bei der Buchvorstellung im belgischen St. Vith hochgelobten Prosaband werden Sie vergeblich zwischen Bestsellerstapeln suchen, und er ist alles andere als ein Urlaubsschmöker. Schäfer liefert das literarisch Feine, Geschliffene, das Wort für Wort Durchdachte und gehört damit nach den Worten seines Laudators Prof. Dr. Klaus Wiegerling zu einer Spezies von Autoren, die uns staunen lässt. Wir staunen über Vielfalt, verblüffende Einfälle und literarischen Artenreichtum.'
(Ernst Heimes, Autor und Bücherhändler, Koblenz)

 

`Draußenschön handelt von Außenseitern, Menschen in Extremsituationen, die von wahnwitzigen Ideen getrieben werden, deren überbordende Fantasien groteske Auswüchse annehmen... Schäfer mag es knapp und knackig, lakonisch und schnörkellos, zupackend und entlarvend... Wendel Schäfer gehört zu den profiliertesten und vielseitigsten  Autoren in RLP... Mit Draußenschöm gelingt ihm wieder ein von der Fachkritik hochgelobtes Werk.'

(W. Wendling, Rhein-Zeitung)

 

'Es sind eigenartige Typen und Charaktere, die Wendel Schäfer in seinem neuen Buch Draußenschön entwirft.
Einige sind mehr eigen als artig, andere sind skurrile, ja sogar bizarre Typen, die so gar nicht in die normale Welt passen.... Und so beginnen manche Geschichten wie romantische Märchen oder zauberhafte Fabeln, in denen von zartgliedrigen Elfen und empfindsamen Geistern erzählt wird. - Aber dann wendet sich das Blatt noch ehe man die dritte Seite umgeblättert hat, und mit dem vom Balkon stürzenden Elfenkönig schlagen auch die Gedanken des Lesers knallhart aufs Straßenpflaster. Man ist gewarnt und spürt, dass die Kost, die dieses Büchlein auf etwas mehr als 100 Seiten anbietet, nicht leicht verdaulich ist.
In Draußenschön hat der Autor Kurzprosa versammelt, die sich mit gängigen Kurzgeschichten nicht vergleichen lässt. Mal sind es fein gesponnene Fäden, mal harte Bohlen, die die Wege von Menschen und Tieren versperren oder einengen. Diese Wege beschreibt der Autor mit einer Sprache, die nur einer beherrscht, dem es nicht darauf ankommt, möglichst viel zu schreiben, sondern Außergewöhnliches, Einprägsames und Unvergleichbares. Da wird kein Wort willkürlich gewählt, sondern alle werden sie sorgfältig auf ihre Treffsicherheit  und Bildhaftigkeit abgeklopft. ...Sprachliche Leckerbissen gibt es zuhauf, aber auf der Zunge zerschmelzende Süßigkeiten sind das nicht. Ironie und Satire schmecken meist eher bitter und  stößt nachhaltig auf - vor dem Schlafengehen also nicht unbedingt zu empfehlen. ...

(Peter Lindemann, 'Kleeblatt')

 

'Wendel Schäfer ist ein äußerst produkriver Schriftsteller. Die Lektüre von Draußenschön bestätigt: Ja, Schäfer kann meisterlich schreiben. Ich werde immer wiedere auf die Seite der Sprache gezogen. Denn diese Sprache ist von einer eigentümlichdoppelten Wirkung, einerseits scharf und treffendin ihrem parataktischen Stil, oihren Bildern und Ellipsen; andererseits nicht dienstbar. Schäfers Sprache nimmt mich bei den Schläfen und zwingt mich genau hinzuschauen auf die Erzählinhalte  doch zugleich zeigt sie mir - eben sich selbst, die Sprache. Sie triumphiert im TötenSie trumphiert im Stillen. Hier wird erzählt, damit Schluss ist....
Manche Texte sind richtig satirisch, und es sind nicht die schlechtesten. ...
Im Trotz Todgeweihter ist Schäfers Prosa ganz bei sich. So kalt ist sie - nein, so kalt ist ihr -, dass ihr die Nestwärme der Nische braucht. Manchmal wünscht man sich einen entschiedener dagegen haltenden Lektor, der dem Bosseler Öffentlichkeit und Markt entgegenhält. Aber öfter, viel öfter denkt man: Herrgott, kann dieser Autor schreiben...!

(Moritz Heger Stuttgart, in: KG Nr. 63, Forum für junge Literatur.)

 

'Schon mit Der Elfenkönig , der ersten Geschichte, hat sich Wendel Schäfer in mein Herz geschrieben. In dieser erzählt Schäfer mit einer besonders fantasievollen und gehobenen Sprache von dem Leben eines Mannes, der bereits in der Schule aufgrund seiner mickrigen Statur gehänselt wurde....
Beeindruckend kommen auch die zwar kurzen, aber nute in einem Satz geschriebenen Erzählungen daher....
Sein Buch Draußenschön hat Schäfer in einer gediegenen Sprache verfasstdie in vielen der kurzen Geschichten durch ihre Bildhaftigkeit aufblüht. Einen weiteren Schwerpunkt hat legt er dabei auf den Überraschungseffekt. So schlägt zum Beispiel der Humor einer Geschichte plötzlich in Entsetzen um. Auch die verwischte Grenze von realer und fiktiver Welt begegnet dem Leser hier und da.
... So kann man Draußenschön ein besonderes Stück Literatur bezeichnen, das zum Nachdenken über die Abgründe der menschlichen Natur und die Schicksalsschläge des Lebens anzuregen weiß.'

(Simone Musall, Web, Verein deutsche Sprache e.V. , Dortmund)

 

 

Leseproben

Endverkauf

Er hätte nicht mitkommen sollen, wollte auch nicht, doch das spitz/bedrohliche ‚jetzt kommst du gefälligst mit, Georg‘, von Hilde ließ ihm keine Wahl, hasste er doch diese ungeistigen Schlussverkäufe mit dem albernen Gewühle und Gefummle, meinte sich auch zu  raus gewachsen, gebrechlich und schmächtig dazu, fand Gott Lob ein Sesselchen zwischen Kleidergestellen und blieb dort, harrte geduldig bei Getrappel, Murmeln und Klacken und Quietschen der Bügel, weil Hilde unter Kleiderbergen verschwunden blieb, zog sich vor gierigen Griffen in den Ständer zurück, barg seine empfindsamen Ohren vor dem Geplärre atemloser Mädchen aus der Box über ihm zwischen Schall schluckenden Mantelteilen, schlummerte endlich ein, bis er samt rollendem Kleidergalgen zurück ins Lager verfrachtet wurde, und man ihn erst beim nächsten Schlussverkauf zwischen den Mänteln fand, weggetrocknet mit immer noch tadellosen Bügelfalten und einem Aufhänger hoch im Kreuz.

 

Der Bilderschädel

Kopfzerbrechen verursachte ein Schädel, der unversehrt ein halbes Jahrtausend gelegen haben mochte. Bauarbeiter hatten ihn ans Tageslicht gefördert beim Ausheben von Erde für eine Tiefgarage. Stießen auf Mauerreste unterirdischer Gewölbe. Bei seiner Öffnung machte man eine verblüffende Entdeckung. Da waren Abbildungen. Fein säuberlich auf die Schädelinnenwand gezeichnet. Wie ein ausgemaltes Deckengewölbe. Wie kamen diese Bilder in den Kopf? In einen Schädel, der noch niemals zuvor aufgebrochen war?

Ungefähr in der Mitte, im Gras zwischen Fliederbüschen, eine üppig gedeckte Tafel. Mit gekochten und gebratenen Köstlichkeiten, dampfenden Soßen und balsamischen Gewürzen. In geschliffenen Pokalen blinkte Wein, aus dickbäuchigen Krügen schäumte Bier, und überall lag Gebäck und quollen Früchte zwischen Rosen. Musikanten spielten der Tischgesellschaft auf. Gezierte Damen und sperrige Herren, essend, trinkend, lauschend, lachend und sich unterhaltend.
Hoch in den Wolken Vögel an einem weiten Himmel.
Weiter vorn, hinter der Stirnwand speisten Diener langbeinige Hunde ab, die so vornehm waren, daß sie ihre glatten Schwänze zwischen die Hinterbeine gesteckt hielten. Dumpfe Knechte hieben auf Bettler ein warfen sie in den Schmutz der Straße. Wo Soldaten Wohnungen plünderten, Häuser in Brand steckten, Männer in Stücke schlugen und Frauen die Röcke über den Köpfen zusammenbanden. Darüber schwarze Vögel mit kräftigen Flügelschlägen.
Hinter der Schläfe ein enger Schacht, wie eine Röhre. Leitern waren übereinandergeschoben, auf denen graue Leiber nach oben krochen. Wie Wanderraupen. Nach oben, einer taghellen Öffnung entgegen, über der weiße Wölkchen schwebten. Traten sich auf Hände, Köpfe, Schultern. Einige waren kraftlos, stürzten kopfüber in die Schwärze zurück. Und mit den weißen Wölkchen flogen Wildgänse, klein wie Punkte.
Unter der Kopfdecke hingen Gefangene an allerlei Foltergerät. Verzerrt und schlaff wie ausgesogene Insekten zwischen den Fäden der Spinne. In Kohlebecken glühten langstielige Zangen. Licht genug für die fischblutigen Augen der Peiniger. Draußen vor der Mauer loderten Scheiterhaufen, in denen sich geborstene Leiber krümmten, umjohlt von Menschenmengen.
Noch höher als die Rauchsäule stiegen Vögel in den entlegenen Himmel.
Auf Ohrenhöhe lag ein Dorf gezeichnet. Zwischen gestauchten Häuserzeilen ein gläserner Bau mit seinen Treppen, Fluren, Türen und Räumen. Angefüllt mit Schränken, Betten, Tischen, Öfen, Stühlen, Töpfen, Löffeln und Nadeln zum Sticken. Am sorgfältigsten waren Küche und Schlafzimmer ausgeführt. Und überall Menschen. Beim Nassestrümpfeüberdenherdhängen, Brotteigindenstrohkorbfüllen, Sichunterderbettdeckelieben oder Küchenbodenplattenschrubben. In einer anderen Gasse konnte man sogar in eine Wirtsstube sehen. Häuser, Straßen und Plätze waren gewissenhaft beschriftet. Mit Namen, die niemand zu entziffern vermochte. Sicher eine geheime Schrift. Verschlungene Wege führten aus den Häuserhaufen heraus und schienen sich alle auf einem Wiesenplatz am Dorfteich zu entknoten. Hier stand eine Holzbank mit eingekerbten Namen in gepfeilten Doppelherzen.
Ein Entenpaar stieg vom Weiher auf und strengte sich an, mit langgestreckten Hälsen Höhe zu gewinnen.
Am Hinterkopf waren Zahlen und Buchstaben ineinander verwoben und bildeten verwirrende Moresken. Liefen an den Enden zu Mondsicheln und Krummsäbeln aus. Durch halbdunkle Säulengänge, vorüber an den Frauengemächern, strebte der Blick zur Mitte hin. Zum hell erleuchteten Bad. Fleichtürme aus schwarzen und braunen Leibern. Dazwischen das Schneeweiß der Odalisken. Becken und Wände funkelten grün gekachelt. Und immer wieder ein glühendes Rot der unzähligen Matten, Kissen und Vorhänge. Ganz hoch oben ein schmaler Wanddurchbruch. Gerade weit genug für den schwarzen Kopf des Eunuchen. Ein wenig darunter hing ein goldener Käfig mit offen gebliebenem Türchen.
Und im winzigen Himmelsblau entschwirrte ein Vogel, klein und schillernd wie ein Edelstein.
Der Schädelboden lag in Felder eingeteilt. Wie eine Terrasse. Nur waren die Platten großen Namensschilder. Säuberlich getrennt in Felder für Menschennamen, Tier- und Pflanzennamen, Bezeichnungen für verschiedene Gegenstände. Namen für Dörfer, Städte, Berge, Flüsse, Meere. Auch Ausdrücke für Leben, Lieben, Leiden, Hoffen, Abschied, Schmerz und Tod. Oder einfach Wörter für In-die-Arme-nehmen-dürfen, Zwischen-Schenkeln-liegen-wollen, Laut-los-schreien-müssen, Aufstehen-und-davonlaufen-können. Die meisten Begriffe konnten nur mühsam gelesen werden. Waren mehrfach durchgestrichen, ungültig gemacht, ausgelöscht.
Nur auf einer Platte fehlten die Wörter, im Vogelfeld. Dafür waren lauter Flügel und Schwingen dargestellt.
In der Mitte unten eine dunkle Gefängniszelle. Wände, Boden und Decke waren nur aus Ohren geschichtet. Die Zellentür ein vergittertes Riesenohr. An die Wand gelehnt ein altes, ausgedientes Cello, am Halse angekettet. Mit Mühe strich es sich über den geschundenen Leib. Und von den Saiten tropften Noten, wie Tränen.
Bekamen Flügel, schwirrten wie Kolibris, stießen im dunklen Gewölbe gegen taube Ohren, wieder und wieder, bis sie tot auf dem Rücken lagen.

Beim Ausbaggern für eine Tiefgarage hatten sie ihn gefunden, den Bilderschädel. Und niemand konnte sich erklären, wie all diese Dinge in den Kopf gekommen waren. --- In den Kopf eines Mannes, der ein Leben lang an der feuchten Wand eines dunklen Verließes festgekettet lag.

 

Flachwasser

Er hatte nicht her kommen wollen. Heute nicht. Doch zog es ihn immer wieder an den Platz.  An die Stelle mit dem dichten Schilf, dem Bach, der von oben in Kaskaden runterplätscherte, eine seichte Furt bildete, um sich gurgelnd zwischen Riesenblättern und geschliffenen Steinen zu verlaufen. Hier war er allein undunbelästigt. Ganz selten querten Leute diese flache Stelle. Dann so flüchtig, als wär jemand hinter ihnen her. Die Umwohnenden mieden den Ort. Auch ihm wurde schon als Kind eingebläut, von der unseligen Stelle fern zu bleiben. Es geschah fast am Ende des Krieges. Hier an der flachen Stelle des Baches hatten sie ihn gefasst und umgebracht. Wen genau, wusste man nicht. Oder wollte es nicht sagen. Es war aber ganz sicher einer aus der Gegend.
Er aber liebte  den Ort. Sein Deaußenschön. Das behielt er für sich. Legte sich ins Gras,  lauschte dem Wasser, den Vögeln, dem Sirren der Insekten und dem Singen des Schilfs, wenn ein Wind die langen Gräser streifte  und die braunen Kolben tanzen ließ.

Heute hätte er nicht herkommen sollen. An diesem besonders heißen Tag.  Die Luft stand unbewegt, und eine hohe Sonne brannte seinen Kopf.  Die Stille des Mittags war ihm auf einmal unheimlich.. Keine Vogelstimme, kein Rascheln. Das monotone Plätschern und Gurgeln des Baches ließen ihn schläfrig werden.  Dazu Wolken gieriger Blutsauger im Gesicht, die er  mit erlahmenden Armen nur noch mühsam klatschen konnte.. Er schloss die Augen und ließ seinen  Gedanken wilden Lauf. ---

 

 

 





 

 

 

 



 

 

 

Alle Rechte vorbehalten © by Wendel Schäfer 2000 - 2011
(webmaster Michael Schaffer)

Zurück zur Eingangsseite